Tilman Fuchs tritt für die Partei von Bündnis 90/Die Grünen bei den Kommunalwahlen am 14. September an – und will Oberbürgermeister der Stadt Münster werden. Im Interview mit Münster aktiv spricht der gebürtige Münsteraner über seine Haltung zu Sport und Ehrenamt und erklärt, was sich unter seiner Leitung auch in Sachen Stadtverwaltung in Münster dringend ändern sollte. Ein Gespräch voller Klartext und mit viel Herzblut für die Stadt Münster. Wenn Tilman Fuchs hält, was er verspricht, könnte es in der nächsten Amtszeit richtig vorangehen…
Tilman, darf ich dir mal was erzählen, was mich wirklich umtreibt?
Na klar – raus damit. Ich hör‘ zu!
Ich war neulich mit „Münster aktiv“ bei einer großen Firma in Münster zu Gast, es ging unter anderem auch um Fördermöglichkeiten und Wege der Unterstützung. Und der erste Satz war: „Das müsste doch eigentlich die Stadt Münster machen!“ Und ich stand da und dachte: Ja, genau!
Das ist leider ein Klassiker: Das Ehrenamt füllt Lücken, die eigentlich von der Stadt kommen müssten. Wenn das nicht gut zusammenläuft, ist es fatal: Die Enttäuschung demotiviert Menschen, die was bewegen wollen. Starre Strukturen, Zuständigkeitswirrwarr, fehlender Pragmatismus und oft viel zu lange Wartezeiten – tolle Projektideen verstauben in Schubladen oder versanden im Lauf der Zeit. Dabei liegt das in der Regel nicht an den motivierten und kompetenten Mitarbeitenden, das ist eine Struktur- und Kulturfrage.
Wir bei Münster aktiv setzen ja maßgeblich aufs Thema Sport. Bevor es also gleich noch um die anderen großen Wahlkampfthemen in Münster geht, erstmal die Frage: Welchen Stellenwert hat der Sport in einer Stadtgemeinschaft deiner Meinung nach?
Ganz klar, gerade auf der lokalen Ebene: Man muss Vereine unterstützen. Sichtbarkeit, Fördermöglichkeiten, Netzwerken, das ist elementar. Es braucht einfache Plattformen, die für alle Menschen zugänglich sind. Gerade die Vereine leben zu einem großen Teil vom Ehrenamt. Für die Menschen, die bereit sind, ihre Energie, ihr Wissen, auch ihre Freizeit für einen Verein einzusetzen, braucht es auch auf Seiten der Verwaltung eine Stelle, einen Kontaktpunkt. Die Ämter sollten sich im Hintergrund miteinander koordinieren, es kann nicht sein, dass die Verantwortlichen der Vereine dieses Orchester von Behörden, Ämtern und Zuständigkeiten selbst dirigieren müssen. Wir müssen weg vom Misstrauensprinzip. Kleinteilige Kontrollen demotivieren – echte Ehrenamtsförderung braucht Vertrauen. Und dann ist der Sport natürlich auch gesamtgesellschaftliches Thema. Es braucht Bewegung in Kita und Schule, das sollte schon früh zum Leben dazugehören.
Kling gut! Abseits vom Sport drängt in Münster natürlich ein Thema ganz massiv auf die Tagesordnung, nämlich das Wohnen: Bademeister, Erzieher*innen, Pflegekräfte – wie sollen die noch in Münster wohnen? Selbst Normalverdienende haben doch mittlerweile kaum noch eine reelle Chance auf dem Wohnungsmarkt.
Genau das höre ich ständig. Wir verlieren Menschen, die diese Stadt dringend braucht. Das darf so nicht weitergehen. Wir müssen viel mehr Bestandsimmobilien sanieren, schneller bauen, und eben auch die Verwaltung effizienter machen. Münster ist eine wunderbare Stadt! Aber Münster muss weiter gestalten, auch sich selbst – wir sollten nicht den Fehler machen, nur auf dem Erreichten sitzenzubleiben.
Du bist gebürtiger Münsteraner, lebst mit deiner Familie im Geistviertel, arbeitest aber im Kreis Steinfurt, als Dezernent für Schule, Kultur, Sport, Jugend und Soziales im Kreis Steinfurt. Münster und Steinfurt – gibt es da in Sachen Verwaltung Unterschiede?
Allerdings! In Steinfurt lässt sich gut beobachten, wie die unterschiedlichen kommunalen Ämter nicht bloß zusammenarbeiten, sondern sich gemeinsam denken. Jugendamt, Schule, Jobcenter greifen ineinander – so ergeben sich massive Synergien. Ich will mich einsetzen für ein Verständnis von Stadtverwaltung als Teamplayer. So eine Kultur fehlt vielerorts noch in den Verwaltungen. Teamentscheidungen gelten für alle: Wenn wir gemeinsam entschieden haben, stehen wir auch gemeinsam dafür ein. Fehler passieren, aber statt Schuldzuweisungen an einzelne, kann man das auch als gemeinsames Lernen begreifen. Es braucht da einen echten Kulturwandel: Verantwortung teilen, Kräfte bündeln, gemeinsam gestalten.
Klingt so, als ginge es dir mehr ums Thema Verantwortung als um den Posten des Oberbürgermeisters.
Ganz genau: Ich will gestalten, weil Münster Potenzial hat. Diese Kultur von Teamgeist statt Einzelkämpfer, der Mut, Dinge wirklich anzupacken und auch radikal zu verändern, fehlt meiner Meinung nach. Das will ich anders machen. Ich bin in Münster großgeworden, ich kenne die Strukturen und die Menschen. Für viele Vereine bin ich zum Beispiel direkt erreichbar, ich glaube, das ist ein großer Vorteil.
Im Moment arbeitest Du als Dezernent für Schule, Kultur, Sport, Jugend und Soziales im Kreis Steinfurt. Wie ist dein Blick aufs Thema Führung?
Meine Führungserfahrung aus Steinfurt hat ganz maßgeblich mit dem Thema Beteiligung zu tun. Mir geht es um eine Fehlerkultur, die nicht von oben herabschaut, die niemandem Angst macht. Sondern um pragmatische Lösungen, kurze Wege, echtes Miteinander. Nah an den Menschen zu sein, sich auch als Führungsperson als Teil des Teams zu verstehen, das ist mir wichtig. Ich finde, dass Leitung immer die Aufgabe hat, ihre Mitarbeitenden zu schützen, das ist elementar. Sonst geht Motivation verloren, die sich nur schwer wiederherstellen lässt.
Mal ganz praktisch gefragt: Wie läuft das, so eine Oberbürgermeisterkandidatur? Arbeitest Du im Moment wie gewohnt? Was sagt deine Familie zu deiner Kandidatur?
Ich habe mir Urlaub genommen und meine Stunden reduziert. Sollte ich gewählt werden, bin ich ab 1.11. dann ganz in Münster. Meine Familie unterstützt mich, dafür bin ich sehr dankbar. Das ist alles nicht selbstverständlich und will mit drei Töchtern auch gut geplant sein.
Wenn Du drei große Themen nennen solltest, die deiner Meinung nach für den Wahlkampf und auch für die dann kommende Amtszeit des neuen Oberbürgermeisters zentral sind, welche wären das?
Sicherlich das Thema bauen, darüber sprachen wir schon. Also schnelleres Bauen, die Sanierung von Bestandsimmobilien und veränderte, effizientere Verwaltungswege. Dann das Thema Finanzen: rechtzeitig sinnvolle Prioritäten setzen, wenn Mittel knapp werden und eine kluge Wirtschaftsförderung betreiben. Und dann das Thema Inklusion: wir sollten Strukturen schaffen, die Teilhabe sichern. Und zwar dauerhaft, nicht nur nebenbei.
Das klingt gut! Wenn du das ernst meinst, hast du mich fast überzeugt. Ich werde dir aber genau auf die Finger schauen…
Gut so! Danke für das Gespräch.