„Ohne Ehrenamt funktioniert diese Stadt nicht.“

Die Mieten steigen, die Bäder schließen, das Ehrenamt ächzt – und trotzdem engagieren sich in Münster täglich Hunderte, um den Sport und das Miteinander in der Stadt am Laufen zu halten. Einer, der das ändern will, ist Stephan Brinktrine, 52-jähriger Familienvater. Der SPD-Politiker tritt im Herbst zur Oberbürgermeisterwahl an. Im Gespräch mit Münster aktiv wird klar: Hier redet jemand, der Sport als Integrationsmotor kennt – und die Probleme der Stadt nicht von außen betrachtet, sondern selbst erlebt hat.

Hier bei Münster aktiv geht es maßgeblich ums Thema Sport. Was meinst Du, welche Rolle spielt der Sport in einer Stadtgesellschaft wie der von Münster? Ist Sport ein Thema, das deinen Wahlkampf prägt?

Für die kommenden Kommunalwahlen haben wir lange überlegt, welche fünf Kernthemen wir nach vorn stellen wollen. Da streiten also viele Köpfe über ganz viele unterschiedliche Themen – aber am Ende gewinnen sozusagen nur fünf davon. Das sind „die Soziale Stadt“, „Bildung und Kultur“, „Frauenpolitik“, „Naturfreunde“ und „Wirtschaft, Arbeit, Wohnungsbau“.

Und der Sport?

Für mich persönlich ist der Sport aber trotzdem ganz wichtig. Ich war mehrere Jahre im Sportausschuss der Stadt. Im Moment bin ich ja auch Bezirksbürgermeister für Münster-West und habe mich gerade letzte Woche mit Handballern getroffen, die Ärger haben, weil sie ihre Halle nicht Harzen dürfen, dass sie also gar nicht richtig wettbewerbsmäßig spielen dürfen. Für diese Themen, da habe ich immer ein großes Herz. Und dann auch der Inklusionsgedanke, den man gerade im Sport so gut zum Ausdruck bringen kann. Ich fände es wirklich wichtig, da noch mehr zu machen. Natürlich versuchen wir, das Thema immer weiter zu fördern, gerade die inklusiven Vereine wie zum Beispiel den Funky e.V. Auch beim BSV Roxel kann ich mich noch gut erinnern, wie wir dort ein Programm auf die Beine gestellt haben, um Menschen, die als Flüchtlinge zu uns gekommen sind, aufzunehmen und zu fördern. Da leistet der Sport richtige Integrationsarbeit.

Arbeit, die meistens von Ehrenamtlern betrieben wird. Wie schaust Du aufs Thema Ehrenamt?

Ein Problem ist sicherlich, dass vieles ans Ehrenamt ausgelagert wird, was eigentlich originäre Aufgabe der Stadt wäre. Aber ganz ehrlich: Ich glaube, ohne Ehrenamt werden wir es nicht schaffen. Ich weiß auch gar nicht, wie man sich für einen so großen persönlichen Einsatz, den viele Menschen ehrenamtlich im Sport, in den Vereinen, bringen, überhaupt angemessen bedanken kann. Veranstaltungen wie die Show des Sports finde ich da schonmal sehr angemessen.

Und wie steht’s um Wertschätzung? Ein Ehrenamtsausweis für den Museumseintritt ist ja nett – aber reicht das?

              Ehrlich gesagt: nein. Natürlich sind auch symbolische Gesten wie die Show des Sports wichtig. Aber wir müssen schauen, wie wir das Ehrenamt auch finanziell besser entlasten können – z. B. mit Sachleistungen, Mobilitätsangeboten oder durch die direkte Unterstützung von Projekten. Ohne Ehrenamt bricht uns vieles weg. Die Leistung von Menschen im Ehrenamt wird oft unterschätzt. Ich kann mich noch an die Geschäftsführung des Sportinternats erinnern. Das war lange Zeit ehrenamtlich geführt, bis sich irgendwann kein Ehrenamtler mehr fand. Also musste die Stelle ausgeschrieben und hauptamtlich besetzt werden. Plötzlich hat das Ehrenamt also ein Brutto-Preisschild von achtzig der neunzigtausend Euro bekommen. Und der Mensch, der es zuvor gemacht hat, hat als Ehrenamtler eine Aufwandsentschädigung erhalten. Kaum vorzustellen also, wie es um unsere Kassen bestellt wäre, wenn wir sämtliche Ehrenamtsposten in hauptamtliche Stellen überführen müssten!

Und der Spitzensport?

             Der ist wichtig, klar – aber er darf nie den Breitensport verdrängen. Wir brauchen beides: Nachwuchsförderung und ein breites Bewegungsangebot für alle. Und wir dürfen nicht vergessen: Die Talente von morgen wachsen in den Sportvereinen von heute auf.

In Münster drängen sich ja für die Kommunalwahlen bestimmte Themen auf, Du sprachst schon von den fünf Kernthemen, die die SPD in den Fokus nimmt. Wie sieht’s zum Beispiel aus mit dem Thema Wohnen?

Das Thema Wohnen, Wohnungsbau, ist absolut zentral. Wir fordern eine Renaissance des Werkswohnungsbaus. Es ist doch so: seit 20 Jahren hören wir Sonntagsreden über bezahlbaren Wohnraum. Fakt ist aber, dass 20 Euro pro Quadratmeter heute keine Seltenheit mehr sind – ich weiß nicht, wer sich das noch leisten können soll. Ich lebe seit über 25 Jahren in Münster, Zeiten davon auch in einer Mietwohnung, für die ich schon vor Jahren mehr als die Hälfte meines Nettoeinkommens aufwenden musste. Ich dachte schon damals: das kann nicht richtig sein. Das hat mich nicht nur geärgert, sondern einfach auch finanziell total eingeschränkt. Das Problem von zu wenig und zu teurem Wohnraum wird oft so dargestellt, als wäre es unlösbar. Aber ich kann mich gut ans Ende der Neunzigerjahre erinnern: Wenn man da eine Wohnung brauchte, hat man in die Zeitung geschaut, um fünf Inserate einen Kringel gemalt, hat sich diese fünf Wohnungen angeschaut und eine davon ausgesucht. Es war also genau andersherum, der Mieter suchte die Wohnung aus. Heute stehst Du mit 150 Leuten bei der Besichtigung und kannst hoffen, dass Du überhaupt in die engere Wahl genommen wirst. So alt bin ich noch nicht, ich kann mich da noch sehr gut dran erinnern! Wir hatten mal diese Angebotslage, und da sollten wir auch wieder hinkommen. Wohnen ist kein Luxus, sondern ein Grundrecht.

Das klingt auf jeden Fall gut. Aber wie schaust Du auf die angespannte Finanzlage der Kommunen, da ist Münster ja vermutlich keine Ausnahme?

Das stimmt leider. Wenn wir hier die jährliche Haushaltsplanung machen, ist das im Grunde immer eine Triage: Was ist am schlimmsten? Was ist am wichtigsten? Vieles sind Pflichtaufgaben, die wir als Stadt zu erfüllen haben, da bleiben einfach keine Spielräume. Aber ich glaube trotzdem, dass es an vielen Stellen besser ginge. Meine beruflichen Wurzeln liegen in der Steuerberatung und der Prozessoptimierung, ich habe als junger Menschen eine Ausbildung zum Steuerfachangestellten gemacht. 21 Jahre lang habe ich die Finanzbuchhaltung einer Steuerberatungsgesellschaft in Münster-Nienberge geleitet und berate heute deutschlandweit Kanzleien in Fragen der digitalen Transformation. Ich weiß, wie man Prozesse optimiert und bin mir sicher, dass da in Münster noch viel geht.

Wenn wir nochmal einen Bogen Richtung Sport schlagen: viel Unmut gibt es in Münster auch immer wieder in Hinblick auf die Situation der städtischen Schwimmbäder.

Absolut wichtiges Thema, da liegt vieles im Argen. Die Bäder müssen geöffnet sein, Punkt. Die müssen laufen, die müssen Schwimmmeisterinnen und Schwimmmeister haben. Immer weniger Kinder lernen noch schwimmen, die Zahl der Ertrinkenden steigt von Jahr zu Jahr. Ich will nicht der Sechzigerjahre-Bürgermeister sein, der ein Schwimmbad einweiht, das brauche ich nicht für mein Fotoalbum. Aber es muss funktionierende Schwimmflächen geben, für den Sport und auch für die Familien.

Ziemlich klare Haltung! Und da können wir uns auch nach der Wahl drauf verlassen?

Auf jeden Fall. Ich bin kein Karrierepolitiker, ich bin auch nicht von irgendwoher gekommen, um jetzt hier den Posten des Oberbürgermeisters zu ergattern. Ich bin seit über 25 Jahren in Münster und in Münsters politischer Landschaft aktiv. Ich habe auf jeden Fall den festen Willen, die Wahl zu gewinnen – aber wenn es anders kommt, bleibe ich trotzdem hier. Über die SPD ziehe ich dann in den Stadtrat ein und mache weiterhin Politik, auch ohne Amtskette. Ich finde, im Moment bleibt in unserer Stadt zu viel liegen, zu viel hakt, wackelt, stockt. Das will ich ändern. Münster liegt mir einfach am Herzen, das ist so.