… zum Debüt in der hessischen Bankenstadt

Sonntag, 26.10.2025, 10:00 Uhr, sechs Grad, sonnig. Das sind wohl die schnöden Eckdaten zum Laufspektakel zwischen den Häuserschluchten der Bankenstadt, aber sie haben es in sich.

Fangen wir mal vorne an. Mein 22ter Marathon sollte wieder mal ein besonderer werden. Nach einem gefühlten „Debakel“ beim Frühjahrsmarathon in Hamburg, bei dem ich quasi die überwiegende zweite Rennhälfte gehen musste, wollte ich Wiedergutmachung. Insbesondere für mich, für den Kopf, für mein Ego und für meine Unterstützer. Das Ziel für Frankfurt war schnell gesteckt: Unter drei Stunden sollten es werden. Aber vor allem wollte ich „gut durchkommen“. Beim Marathon ist das halt immer so eine Sache. Gleichzeitig macht das für mich auch den besonderen Reiz am Marathonlaufen aus. Man weiß im Grunde nie, was man bekommt, darf sich nie zu sicher sein, aber sich noch weniger in dauerhafter Ehrfurcht oder Versagensangst verlieren.

Ich hatte mir für die zehnwöchige Vorbereitung Einiges vorgenommen. Da Frankfurt etwas später im Jahr liegt, konnte ich die Ferienmonate zunächst voll auskosten und musste nicht Familienurlaub und Marathonvorbereitung irgendwie zusammenbringen. Da ich davor noch eine kleine Krankheitsphase hatte, bin ich zunächst defensiv gestartet. Der Trainingsplan wurde moderat gewählt und ich begann mit 50 Wochenkilometern, die ich in der Folge nach und nach steigerte. Dabei ist es mir dieses Mal besser als sonst gelungen, auf meinen Körper zu hören und die Belastungen nicht zu schnell, zu hoch zu fahren. Es sollte sich später auszahlen…

Bis zur achten Trainingswoche lief eigentlich alles glatt, ich konnte befreit und beschwerdefrei trainieren. Die Form schlich sich ein. Die Einheiten, in denen es so gar nicht lief, waren natürlich dabei, aber davon habe ich mich nicht verrückt machen lassen. Woche acht fiel ich dann komplett mit Schnupfen aus. Große Trauer, großer Frust, aber eigentlich wollte ich so schnell nicht aufgeben. Was also tun? Alle Pläne über Bord werfen und die Zielzeit anpassen? NEIN, wollte ich partout nicht! Diesmal sollte es endlich wieder klappen mit der Zeit unter drei Stunden. Versöhnlich war aber der Gedanke, dass nun der große Druck weg war. Entweder es klappt oder halt nicht, dann weiß ich aber, woran es liegt.

Mit einer Mischung aus Hoffnung und Trotz stand ich jetzt also da. Zusammen mit 14.000 anderen Laufbegeisterten, die dem Start (bei sechs Grad) entgegen bibberten. Die Stimmung, das merkte ich schnell, war top. Das gute Wetter hatte die Frankfurter vor die Haustüren gezerrt und die vielen mitgereisten Supporter des Läuferfeldes füllten insbesondere die ersten Kilometer zu einem motivierenden Spalier abseits des Asphalts. Ich selbst musste mich dieses Mal ganz auf mich allein verlassen. Wo in den letzten Jahren der Frankfurt Marathon immer Garant für einen Crewausflug der Running Crew Münster war und ich auch sonst von meiner Familie immer an der Strecke begleitet werde, herrschte ungewohnte Einsamkeit. Hier wusste ich zunächst nicht, was ich davon halten sollte. Der Gedanke daran, dass zu Hause diverse Freunde und Bekannte oder Kollegen von der Arbeit oder aus der Crew vor dem Live Tracking sitzen und mich virtuell verfolgten, spornte aber enorm an. Ich wollte etwas zeigen, wollte es mir zeigen und auch allen Anderen.

So pulverisierten sich nach und nach die Kilometer. Alle fünf Kilometer erhielt ich ein erstes Gefühl davon, wohin die Reise gehen kann. Was soll ich sagen? Ich fühlte mich super, keine Anstrengung, keine Sorge, unbeschwertes Laufen in der 4:15er Zielpace pro Kilometer. Das erste Drittel lag nahezu ausschließlich in der Frankfurter Innenstadt. Zwischen den hohen Häusern und verwinkelten Gassen fühlte es sich nicht nach Laufen an. Zeitweise waren die Stellen zwar so eng, dass es sogar zu Stürzen kam und das Feld immer wieder ins Stocken geriet, aber das hatte irgendwann ein Ende. Bis zur Halbmarathondistanz fühlte ich mich super, kontrolliert und sehr stark. Die Strecke ein Traum, der Support von außen wurde einfach nicht weniger und ich hatte gedanklich schon ein Grinsen im Gesicht, weil ich wusste „heute geht was, du schaffst das, mega!“ So rollte ich einfach für mich dahin, versuchte das Tempo beizubehalten und hielt Ausschau nach einer Gruppe, mit der ich gemeinsam laufen konnte. Die Brems- und Zugläufer hatten wegen des angekündigten starken Windes ihre Erkennungsflaggen abgenommen und verschwanden somit nahezu unsichtbar im Feld. Dennoch gelang es mir, hier stabil zu bleiben und im Kopf immer wieder zu rechnen. Wie ein Uhrwerk fielen die Splits alle fünf Kilometer und ich malte mir bei jeder Zeitmessung aus, wie meine Supporter zu Hause jetzt vorsichtig „jubeln“. Ein überraschend motivierender Gedanke, den ich in so vielen Marathons noch nie hatte. Ein echt tolles Gefühl und gepaart mit dem guten Feeling beim Laufen machte sich erste Euphorie breit.

Bei Kilometer 28, also im letzten Renndrittel wollte ich nochmal zulegen, wenn die Körner es hergeben. Bei Kilometer 30 habe ich mich dann getraut, genau 400m ging es auch gut. Dann kam die Kurve zurück in die Stadt und Bumm, da war er: Der Wind, charakterformender Endgegner. Aber nicht für mich. Nicht an diesem bislang so guten Tag. Ok, dann werde ich halt nicht mehr schneller, ich laufe einfach (gegen den Wind) weiter. Zwischen Kilometer 32 und 37 musste ich dann aber etwas rausnehmen. Rausnehmen ja, Bummeln NEIN. Doch ehe ich es merkte, war es zu spät. „Mensch Jan, wieso vergeudest du hier die Sekunden? Du kannst doch eigentlich noch!“ Wer dann ohne Not drei bis vier Kilometer je 4:30 bis 4:40 pro Kilometer läuft, der verspielt nicht nur den bis dato erlaufenen kleinen Puffer, sondern gleich das große Ganze. Doch jeder Versuch, es jetzt nochmal rumzureißen war zwecklos, Der Wind und das Aufbäumen dagegen hatten hinten raus zu viel Kraft gekostet. Mir gelang es zwar nochmal, das Tempo zu stabilisieren und in 4:20 zu Ende zu rollen aber das Zeitziel unter drei Stunden war verfehlt.

Dennoch machte sich auf den letzten Kilometern keine Spur der Enttäuschung breit, vielmehr war es Stolz und Vorfreude, es jetzt mit diesem tollen Gefühl nach Hause zu laufen. Die letzten fünf Kilometer in der Stadt wurde ich erneut vom Publikum ins Ziel getragen und der Einlauf in der Festhalle des Messegeländes auf dem roten Teppich zu dicken Bässen und vollen Rängen ist einfach einmalig. Es wurde am Ende 3:01 Stunden und ich halte es da ganz nach der Sprachnachricht meines Sohnes (Anton, 11 Jahre alt), die ich als eine der ersten später abhörte: „Ey Papa, top gelaufen, ich bin stolz auf dich! Scheiß auf die eine Minute, du bist für mich eh der beste Läufer der Welt.“ (Und ja, da schossen mir kurz die Tränen ins Gesicht.)

Insgesamt stellte sich unmittelbar nach Zieleinlauf ein überwältigendes Gefühl ein, bevor ich dann merkte: „Ok mir ist saukalt, ich habe eigentlich Magenschmerzen und hinsetzen müsste ich mich auch mal“. Im Zielbereich bekam ich aber wirklich beste Hilfe vom tollen Orgateam. Es wurden warme Umhänge gereicht, es gab heißen Tee oder Brühe und die ein Helfer der Feuerwehr massierte mir gleich mal die Unterschenkel, als ich mich neben dem Löschwagen erschöpft auf die Hebebühne eines LKW sinken ließ.

Ich kann den Frankfurt Marathon jedem wirklich als Erfahrung nur ans Herz legen und möchte mich an dieser Stelle nochmal ausdrücklich bei Sabine von Münster Aktiv bedanken, dass du mir das ermöglicht hast und ich meine zweitschnellste Marathonzeit laufen konnte.

Vielen Dank und sportliche Grüße,

euer Jan