Ein Gastbeitrag von Siegmund Natschke

Es ist eine Sensation – und für viele eine traurige Nachricht: Die Weltklasse-Sprinterin Tatjana Pinto, gebürtige Münsteranerin, will künftig nicht mehr für den Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) an den Start gehen. Stattdessen bereitet sich die 33-Jährige auf ihr Debüt bei den portugiesischen Meisterschaften in Braga vor – der erste Schritt zu einem bemerkenswerten Verbandswechsel.
„Leider werde ich dieses Jahr nicht bei der DM in Dresden an den Start gehen“, mit diesen Worten beginnt ein Instagram-Post, der es in sich hat. Tatjana Pinto, eine der prägendsten Figuren im deutschen Frauensprint der letzten Dekade, verabschiedet sich von der Deutschen Meisterschaft – zumindest vorerst. Statt in Dresden über die Bahn zu fliegen, packt sie schon ihre Spikes für Braga, eine Stadt im Norden Portugals. Dort finden am 2. und 3. August die „Campeonatos de Portugal de Atletismo“, also die portugiesischen Meisterschaften, statt – mit Pinto als prominenter Starterin.
Die DM war im Vorfeld in der Planung mitintegriert und ich habe mich sehr darauf gefreut, wieder mein Bestes zu geben“, schreibt sie. „Allerdings sind neue Prozesse im Gange – und eine weitere Meisterschaft überschneidet sich.
Diese neue Meisterschaft ist die portugiesische. Und noch mehr – denn Pinto kündigt an:
Seit diesem Jahr starte ich bereits neben OA Athletics auch für Benfica Lissabon – und die Option für einen Nationenwechsel besteht seit einiger Zeit. In diesem Prozess befinde ich mich.“ Und die portugiesische Meisterschaft sei der nächste Schritt. Das ist ein Abschied mit Ansage. Und das Ende einer Ära. Zugleich aber auch der Beginn eines neuen Kapitels. Pinto war über Jahre hinweg das Aushängeschild des deutschen Frauensprints – Europameisterin 2012 mit der Staffel, Olympiafinalistin, WM-Bronzemedaillengewinnerin 2022. Ihre Bestzeit über 100 Meter: 11,00 Sekunden.
Nun aber setzt sie auf ihre zweite Heimat. Ihr Vater stammt aus Portugal, geboren und aufgewachsen ist sie aber in Münster. Ihre sportliche Karriere begann beim USC Münster. Mit dem Wechsel zum portugiesischen Top-Klub Benfica Lissabon und dem geplanten Tausch der Verbandszugehörigkeit geht sie nun ganz neue Wege.
In Portugal dürfte Pinto wohl mit offenen Armen empfangen werden – nicht nur wegen ihrer internationalen Erfahrung, sondern auch, weil das Land im Sprintbereich bislang kaum über internationale Aushängeschilder im Frauenbereich verfügt. Ihre Erfahrung, ihre Präsenz und ihre Professionalität könnten ihr dort eine Führungsrolle verschaffen, wie sie es in Deutschland zuletzt nicht mehr hatte. „Immer nur Vierter oder Fünfter zu werden, macht doch keinen Spaß.“, so lautete ihr eigener, ehrlicher Rückblick auf ihre Jahre im deutschen Nationalteam.
Nun öffnet sich für sie eine neue Tür zu neuen internationalen Starts – diesmal im portugiesischen Trikot. Möglich wäre ein Einsatz bei der EM 2026, der WM oder sogar Olympia 2028.

Text: muenster-taeglich.de

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